Beschreibung:

Organist (1720-1788). Choralvorspiele für die Orgel im Lauf des Kirchenjahrs. E. Musikmanuskript. Dat. (Rudolstadt) 1785. Qu.-8º. 95 S. (Musiknotation auf 4 Zeilen; S. 96-260 mit leeren Notenzeilen), 6 nn. Bl. (Register). Ldr. d. Zt. mit goldgepr. Monogramm "J. G. N. 1785" auf dem Vorderdeckel (Bezug mit Wurmspuren, beschabt und bestoßen). (9)
Wiederentdecktes Spätwerk. – Offenbar die letzte, nicht vollendete und unveröffentlicht gebliebene Sammlung von 78 Vorspielen zu protestantischen Kirchenliedern von dem in seiner Zeit sehr geschätzten Rudolstädter Organisten Johann Georg Nicolai (vgl. ADB XXIII, 593), der dort bis zu seinem Tod am 24. Dezember 1788 fast vierzig Jahre als Organist und Stadtkirchner gewirkt hat. Das Choralbuch dürfte Nicolai dazu gedient haben, neu für den Gottesdienst komponierte Choralvorspiele sukzessive niederzuschreiben, und zwar dem Lauf des Kirchenjahres folgend. So beginnt das Manuskript mit "Nun komm‘ der Heiden Heiland" zum ersten Advent; zur Weihnachtszeit leiten die Vorspiele Choräle ein wie "Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her", "In dulci jubilo" und "O Jesulein süß" sowie zum Passionskreis "O Lamm Gottes unschuldig", "Da Jesu an dem Kreuze stund" und "O Mensch bewein‘ dein Sünde groß". Der Osterkreis ist unter anderem mit "Christ lag in Todesbanden", "Christ ist erstanden" und "Heut‘ triumphieret Gottes Sohn" vertreten, das Pfingstfest mit "Komm‘ heiliger Geist" und "Der heilige Geist hernieder". Auch zum folgenden Pfingst – und dem Trinitatiskreis sind zahlreiche Vorspiele mehr oder weniger bekannter evangelischer Choräle und Kirchenlieder enthalten. Die Handschrift bricht ab mit "Nun laßt uns Gott dem Herren Dank sagen", zum 19. Sonntag nach Trinitatis. Die letzten Sonntage des Kirchenjahrs fehlen also. Auf den bereits paginierten Folgeseiten sind die Notensysteme mit Schablone vorgezogen. Von einem für die Seite 20 vorgesehenen Choral ist nur der Titel eingetragen ("Ich freue mich in dir"). Die Sammlung ist demnach unvollendet geblieben, sicherlich durch Nicolais schwere Krankheit der letzten Lebensjahre bedingt. Ob die vorliegende Folge überhaupt zur Veröffentlichung bestimmt war, ist indessen nicht zu erschließen. Nicolai hat mehrere Ausgaben derartiger Choralvorspiele für die Orgel publiziert, doch könnte es sich hier auch um seine persönliche Zusammenstellung zum Gebrauch im Gottesdienst handeln, zumal sich gelegentlich Stellen mit variierender Figuration finden, die zweifelsohne zur improvisatorischen Ausführung gedacht waren und daher nur abgekürzt angedeutet sind. Viele der hier eingeleiteten Choräle hatte Nicolai bereits in seinem 1765 bei Breitkopf in Leipzig erschienenen "Vollständigen Choralbuch über die Fürstlich Schwarzburg-Rudolstädtischen Kirchengesänge" veröffentlicht. Die Entdeckung des Verfassers erfolgte durch Auflösung des Monogramms, da sich weder Titel noch Signaturen in der Handschrift finden, und das Wasserzeichen, einen bekrönten Doppeladler mit Reichsinsignien, nach dem Wappen der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt. – Leicht gebräunt und fleckig.